Sommerzeit 2016 - Erzbistum Köln - page 44

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Von Beate Behrendt-Weiß
St. Petrus in Bonn macht Ernst
mit tiefgreifender Gemeindeerneuerung
E
infach mal reinschauen, dem Impuls lauschen, ins
Gespräch kommen und einen Kaffee trinken. Einmal
im Monat ist das in der Bonner Stiftskirche möglich.
„Komm ins Offene“ heißt das Angebot, zu dem Hilde-
gard Weiß-Wübken und ihr Mann Hubertus Wübken
einladen und das von Passanten gerne angenommen wird. Sie sind
Mitglieder der Equipe für die Stiftsgemeinde St. Johannes Baptist und
Petrus und dort für den Bereich „Glaubensvermittlung – Glaubensvertie-
fung“ zuständig. Dieser ist neben „Solidarität und Nächstenliebe“,
„Beten und Glauben feiern“ und „Begegnung und Gastfreundschaft“
eine der vier Säulen, für die das sechsköpfige Team um Moderatorin
Ailine Horn steht. Aber was zunächst nur nach gut strukturiertem Ehren-
amt klingt, ist viel mehr als das. Es ist Ausdruck eines ganz neuen
Gemeindeverständnisses, in dem Menschen ihrer Berufung als Christ
folgen. Und es zeigt: Kirche geht auch anders.
Vision einer Kirche ohne Laien
Was die Pfarrei St. Petrus unter dem Namen „Petrus-Weg“ ins Leben
gerufen hat, ist eigentlich das Naheliegendste überhaupt, und doch
scheint es immer noch revolutionär. Da geht es um tiefgreifende
Gemeindeerneuerung, um einen Weg, der auf der Berufung aller
getauften und gefirmten Christen mit ihren Begabungen und Charis-
men beruht. Die Idee dahinter ist keine aus der Not geborene Antwort
auf Priestermangel und Strukturveränderungen. Der „Petrus-Weg“ ist
ein geistlicher Prozess, der alle Christen in der Verantwortung sieht, die
Vision einer den Menschen zugewandten Gemeinde zu leben. „Es geht
darum, einer neuen Kultur des Kirche-Seins den Weg zu bereiten“, so
der leitende Pfarrer Raimund Blanke, der gar nicht so „leitend“ sein
will, sondern für ein ganz neues Miteinander von Priestern, Hauptamt-
lichen und engagierten Getauften plädiert. Laien gibt es nicht.
Nah bei den Menschen
Angetrieben von der Sorge um die Zukunft der Kirche und inspiriert von
den positiven Erfahrungen mit dieser Gemeindeform im französischen
Bistum Poitiers hat sich St. Petrus vor neun Jahren auf einen intensiven
Weg gemacht und 2011 das Petrus-Modell beschlossen, damit Kirche da
sein kann, wo sie hingehört: nah bei den Menschen. Die Equipen tragen
dafür Sorge, dass die drei unter dem Dach der Pfarrei St. Petrus zusam-
mengeschlossenen Gemeinden auch künftig als eigene Orte kirchlichen
Lebens nicht nur erhalten bleiben, sondern gestärkt werden. Die Beauf-
tragten für die jeweiligen Säulen werden für drei Jahre berufen, der
Moderator beziehungsweise die Moderatorin wird von der Gemeinde
gewählt. Auch wenn manche Aufgaben auf Pfarrebene verankert bleiben,
seien die Equipen doch frei in dem, was sie tun, so Blanke.
Neue Netzwerke und neue Gesichter
Die erste Equipe – für St. Marien – wurde 2013 eingesetzt. Die von ihr
angebotenen Andachten im Frauenmuseum, die ökumenischen Stadt-
teilvespern oder der Runde Tisch Caritas und Soziales sind Ausdruck
dafür, dass auf diesem Weg ganz neue Netzwerke entstehen und Kon-
takte zu Menschen, die bisher keinen Bezug zur Gemeinde hatten. Die
Equipe für die Stiftsgemeinde St. Johannes Baptist und Petrus folgte
Anfang 2015; deren Angebote wie „Komm ins Offene“, die Begleitung
von älteren Menschen im Seniorenzentrum Haus Rosental oder Wort-
Gottes-Feiern machen auch hier den neuen Aufbruch deutlich. Und das
Team für St. Joseph befindet sich im Aufbau.
Die Richtung stimmt
„Wir sind auf dem Weg“, sagen alle Beteiligten, „auf einem Weg, der
Herausforderung und Lernprozess zugleich ist.“ Und auf dem es auch
manchmal holpert. Aber nichtsdestotrotz ist der Petrus-Weg, der vom Erz-
bistum unterstützt wird und in ähnlicher Form auch in anderen Bistümern
erste zarte Triebe entwickelt, ein Aufbruch hin zu einer neuen Gestalt der
Kirche mit zeitgemäßen Formen der Mitgestaltung und Mitverantwortung
kompetenter Christen. Die Richtung stimmt. Und die Sehnsucht danach ist
groß. Nicht umsonst ist der ehemalige Pfarrer von St. Marien, Peter Adolf,
der seinerzeit die Idee aus Frankreich mitbrachte, deutschlandweit ein
gefragter Mann, wenn es darum geht, interessierten Gemeinden das
Modell vorzustellen. Ein Modell, das viele Menschen erreicht. So wie in der
Stiftskirche. „Da kommen auch viele junge Leute“, freut sichWeiß-Wübken,
„deren Vertrauen wir als Kirche so wiedergewinnen können.“
Kirche
anders
geht
auch
Equipe für die Stiftsgemeinde St. Johannes Baptist:
Sie sorgt selbstständig für neue Aufbrüche.
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