Mensch - Magazin des Erzbistums Köln - page 10

Erzbistum
Köln –
Abschied
03 – 2015
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IMPRESSUM
Sonderveröffentlichung des Erzbistums Köln I Stabsabteilung Kommunikation I Marzellenstraße 32 I 50668 Köln
CHEFREDAKTEUR (V.I.S.D.P.):
Robert Boecker I
KONZEPT UND REDAKTION:
Hildegard Mathies I
ART DIRECTION & GESTALTUNG:
BUREAU
DENISEGRAETZ
FOTOS:
Marco Bräunig (6 Fotos); Robert Boecker (Editorial; Seite 4); Zacarias Pereira da Mata (Seite 5); Ihnatovich Maryia/shutterstock.com (Seite 2-4);
Ullstein Bilder (Seite 7: Grabowsky; Seite 9: Stefan Trappe / Caro), Milan Peschel &Mika Nilson Seidel / Pandora FilmVerleih (Seite 9);Werner Kirsch (Seite 10)
KOORDINATION ERZBISTUM:
Tanja Roa, Pia Modanese
VERLAG UND DRUCK:
M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen Zeitung GmbH & Co. KG; Neven DuMont Haus I Amsterdamer Straße 192 I 50735 Köln
Totenfotografie: den letzten Ausdruck
eines Menschen bewahren.
Für den Kölner Fotografen Werner Kirsch begann mit dem
Tod seines Onkels eine künstlerisch-fotografische Ausein-
andersetzung mit der Sterblichkeit des Menschen. Seine
„Bilder der Stille“ sind berührende Porträts von Toten.
Als sein Onkel Karl vor rund zehn Jahren starb, nahmWerner
Kirsch instinktiv seine Kamera mit, als er sich auf den Weg
zu seiner Familie machte. Ohne Absicht, ohne Ziel. Erst recht
ohne jeden Gedanken an ein künstlerisch-fotografisches
Projekt. Das genau das jedoch aus diesen ersten Aufnahmen
wurde, die in stimmigen Momenten entstanden, ist auch
Kirschs Kusine zu verdanken, der Tochter des Toten.
„Kann man das machen?“, fragte sich Kirsch
erst einmal. „Ich hatte Hemmungen“, erinnert er sich. „Der
Tod ist ja ein gesellschaftliches Tabu. Das hat auch vor mir
nicht Halt gemacht.“ Doch er folgte seiner inneren Stimme
und nahm auf seineWeise Abschied von seinemOnkel, mit
der Kamera. Noch am Tag des Begräbnisses hat er seiner
Kusine eines der Bilder gezeigt. Lange betrachtete sie das
stille, friedlich ruhende Antlitz – und fragte Kirsch schließ-
lich, ob sie sich das Bild zu Hause aufstellen könne.Wieder,
auch bei ihr, die Frage: „Kann man das machen?“
Dass man es machen kann, hat sich seitdem
immer wieder gezeigt. Seit dem Jahr 2008 fotografiert
Kirsch im Rahmen seines Projekts „Bilder der Stille“ Tote in
ihrem Sarg. Er arbeitet dafür mit vier Bestattern zusammen,
vor allem mit dem Bergisch-Gladbacher Bestattungshaus
Pütz-Roth. Der 2012 verstorbene innovative und ungewöhn-
liche Bestatter, Trauerbegleiter und Autor Fritz Roth war
der Erste, der Kirsch bei seinem Vorhaben unterstützte.
LICHTE UND HOFFNUNGSVOLLE BILDER
Die Achtung vor dem Toten, die Erlaubnis seiner Familie
und die würdige Aufnahme sind die Grundsätze, nach
denen Kirschs Fotografien entstehen. Kirsch berührt und
inszeniert die Toten in ihrem Sarg nicht. Er verbringt zu-
nächst einige Zeit allein und in Stille mit ihnen, um auch
in sich die Ruhe und Stille zu finden, den Frieden, den die
meisten Toten ausstrahlen – und sie so übertragen zu
können in das Bild und auf die Betrachter. „Es war mir auch
DAS LETZTE BILD
von Anfang an wichtig, das die Bilder sehr licht, sehr hell
sind“, erklärt der Fotograf, „hoffnungsvoll.“ Um das zu
erreichen, arbeitet er ohne Blitz, in der Regel nur mit natür-
lichem Licht (Tageslicht) oder mit dem Licht, das er am Ort
der Aufbahrung vorfindet.
Es sind Frauen, Männer und ein 12-jähriger
Junge, die Kirsch bislang fotografiert hat. Lange hat er
überlegt, ob er den 12-Jährigen fotografieren kann. Auch
hier musste er erst selbst eine Hemmschwelle überwin-
den. Doch auch hier wurde die Begegnung mit dem Tod
und mit der Mutter des Jungen zu einer stimmigen Be-
gegnung. Der unheilbar kranke Junge hatte die Prognose
seiner Ärzte um neun Jahre überlebt. Beim Bestatter traf
Kirsch unvermutet die Mutter. „Ich bin bei meinem Kind,
solange ich es noch kann“, sagte sie. Kirsch fotografierte
ihren Sohn – und es ist heute, wie er sagt, sein bestes und
wichtigstes Bild. Dass jeder Mensch sterblich ist und der
Tod keine Frage des Alters, wurde für ihn in diesem Foto
begreifbar.
TROST UND KRAFT FINDEN
Es ist auch die Resonanz der Angehörigen und der Besu-
cher seiner bislang zwei Ausstellungen mit den „Bildern
der Stille“, die Kirsch gezeigt hat, wie wichtig für viele
Menschen dieses letzte Bild ihres Angehörigen ist. „Wir
haben so viele Bilder aus dem Leben eines Menschen“,
sagt der 49-jährige Fotograf, der die Bilder bewusst nicht
veröffentlicht. Und ausgerechnet das letzte Bild, das man
von einem Menschen machen kann, sollte nicht richtig
sein? Im Gegenteil: Es zeigt sich, dass viele Angehörige in
dem Bild Trost und Kraft finden – zumal, wenn dem Tod
ein langes Sterben, eine lange Krankheit und ein Lebens-
kampf vorausgingen. Und nun herrscht plötzlich Frieden.
Frieden, Ruhe und Gelöstheit, wie man sie seinen Liebsten
wünscht. Erlöstheit, wenn man so will.
Wie wichtig das für viele Zurückbleibende
ist, hat Kirsch im Gespräch mit Ausstellungsbesuchern
erlebt. Da sind die, die plötzlich erzählen, dass sie jahre-
lang mit schlechtem Gewissen ein Foto ihres toten Vaters
aufbewahrt haben, weil sie dachten, sie hätten das Bild
nicht machen dürfen. Da ist die Witwe, die in beide Aus-
stellungen kam und Blumen vor dem Bild ihres Mannes
niederlegte – glücklich, ihn im Foto noch einmal sehen zu
können. Und da sind die, die ihm sagen, durch seine Bilder
TEXT:
HILDEGARDMATHIES
FOTO:
WERNER KIRSCH
Werner Kirsch
arbeitet nicht als Auftragsfotograf für Totenfotografie.
Die Fotografien von Toten entstehen im Rahmen des Projekts
„Bilder der Stille“.
und durch den friedlichen Ausdruck der Toten hätten sie die Angst vor
dem Tag ihres eigenen Todes verloren.
Und wie ist Werner Kirschs eigenes Verhältnis zum
Tod? „Ich glaube, ich bin gelassener geworden“, sagt er. „Ich weiß, ich
kann nicht alles erleben – und ich muss auch gar nicht alles erleben.
Ich muss nicht die ganze Welt bereisen.“ Was zählt, ist das bewusste
Leben und Erleben, die Zeit mit seiner Frau, mit Freunden, der Familie.
FLIPBOOK:
gibt es um Download auch als
Flipbook über die Layar-App und den Link
MAGAZINDES ERZBISTUMSKÖLN
m nsch
N°3/2015
wovor
habe ICH
PORTRÄT
Sterben imHospiz
2-4
I
INTERVIEW
PalliativmedizinerVoltz
6
I
ABSCHIED
Das letzteBild
10
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