Mensch - Magazin des Erzbistums Köln - page 4

03 – 2015
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Die körperlichen Einschränkungen sind es,
die ihm ammeisten zu schaffen machen. Die Verän-
derung des Körpers, sich nicht mehr so bewegen zu
können wie gewohnt. Das, was ihn behindert, und
„dass man zu einem behinderten Menschen wird“,
ist für Hanno M. Adam schwer erträglich, obwohl er
notwendige Hilfe gut annehmen kann. Mittlerweile
muss er oft aufstehen, um Luft zu bekommen. Und
ohne Schmerzmittel könnte er nicht mehr leben.
WÜRDEVOLLE BEGLEITUNG BIS ZUM TOD
Der Schmerz ist auch das, wovor Hanno M. Adam
Angst hat. Nicht vor dem Tod selbst, nicht vor dem
Hinübergehen, auch wenn er nicht weiß, ob danach
noch etwas kommt – „das sind ja die großen Fragen
des Lebens“, sagt er. „Man wünscht sich natürlich
einen sanften Tod. Aber darüber kann man nicht
selbst entscheiden.“
Wie sein Ende sein wird, weiß Adam
nicht. Niemand weiß das. Aber Hanno M. Adam
ist sicher, dass sein Leben im Hospiz St. Hedwig in
Würde zu Ende gehen wird. „Ich wurde hier herzlich
aufgenommen“, sagt er, „und bin in einer Gemein-
schaft Gleichgesinnter.“ Es ist ihm wichtig, dass das
Hospiz in der langen Tradition der Alexianerbrüder
steht, die sich seit ihrer Gründung vor rund 800
Jahren besonders auch der Krankenpflege widmen.
Und auch die Verbindung mit der heiligen Hedwig
von Schlesien, die im 13. Jahrhundert unermüdlich
für die Armen und Kranken sorgte, betont der be-
lesene Mann.„Ich legeWert auf dieWerte“, sagt er,
„auf die praktizierte Nächstenliebe.“ Die Hospiz-
arbeit sei im Rahmen der christlichen Ethik zu
sehen und zu verstehen, erklärt Adam, und man
könnte in diesem Moment glauben, ihn bei einem
Beitrag fürs Radio live zu erleben. „Das ist nicht nur
eine Begleitung in den Tod, sondern ein Hinüber-
führen.“
Mit welchen Erwartungen ist er ins
Hospiz gekommen? „Die jahrhundertealte Tradition
der Betreuung alter, kranker Menschen auf der
Basis christlicher Kultur ist mir Garant für eine
würdevolle Begleitung in den Tod“, sagt Adam.
„Hinzu kommt die fachliche Qualität medizini-
scher Fürsorge. Der alte, oft sehr kranke Mensch
wird als ,Gast‘ in die Gemeinschaft von Hilfsbedürf-
tigen und Helfenden aufgenommen. Er tritt in das
Hospiz als Gleicher unter Gleichen ein und verlässt
es, würdevoll begleitet, im Tod.“
DAS ICH BLEIBT UNANTASTBAR
Ein Gleicher unter Gleichen – das ist Adam wichtig,
auch in seinem journalistischen Engagement für
einen anderen Umgang der Gesellschaft mit alten
und kranken Menschen: „Der Mensch ist und bleibt
sein ganzes Leben lang ein Gleicher unter Gleichen“,
sagt Hanno M. Adam. „So wird er geboren, so stirbt
er: mit den gleichen Rechten und Pflichten, mit den
gleichen Ansprüchen auf Verwirklichung und den
gleichen Chancen.“ Seine Lebensanschauung solle
geachtet werden. Und weiter: „Seine spezifische
Art des Seins verdient in allen Lebenslagen Respekt.
Dies gilt auch dann, wenn er geistig oder körperlich
abbaut, wenn seine Wesenszüge sich alters- oder
krankheitsbedingt ändern. Sein Ich bleibt das Gleiche
mit den gleichen Ansprüchen in der Gesellschaft
– selbst dann, wenn er seine Pflichten der Gemein-
schaft gegenüber nicht mehr erfüllen kann: Seine
Würde muss gewahrt, muss unantastbar sein, auch
im Hospiz.“ Auch und gerade dann, wenn er irgend-
wann seine Selbstständigkeit in den alltäglichen
Handlungen wie Waschen, Anziehen, Körperhygie-
ne und Essen verliert.
„JEDER TAG IST EIN GESCHENK“
St. Hedwig ist Hanno M. Adams letzte Station in
dieser Welt. Bei allem Licht und aller Normalität
ist das allgegenwärtig in diesem Haus. Aber hier
existieren Leben und Sterben tatsächlich nebenei-
nander und miteinander. Im Gemeinschaftsraum
gibt es Spiele, in der Ecke steht eine Gitarre. In der
Küche kann man schon vor dem Essen Gäste und
Angehörige treffen, die sich wie in jeder privaten
Wohnküche mit dem Hospizpersonal unterhalten,
während letzte Hand ans Mittagessen gelegt wird.
„Das Leben und Über-leben ist mit Schwierigkeiten
verbunden“, sagt Adam. „Aber jeder Tag, an dem
man lebt, ist ein Geschenk.“
„Ich war immer ein Mensch, der in
Hoffnung gelebt hat“, sagt Hanno M. Adam weiter.
Wie es ihm an den letzten Tagen ergehen wird, was
und ob er übrhaupt etwas im Moment des Über-
gangs erleben wird und wie der Tod sein wird und
was danach kommt – wer könnte das beantworten?
„Ich bin immer ein Suchender gewesen“, sagt Hanno
M. Adam,„auch imGlauben. Und ich bin nicht sicher,
dass ich gefunden habe, wonach ich gesucht habe.“
HOSPIZ ST. HEDWIG
Das Hospiz St. Hedwig in Köln-Rondorf
wird getragen von den katholischen Orden
Alexianer-Brüdergemeinschaft und
Cellitinnen zur heiligen Elisabeth. Es gibt
zehn Einzelzimmer für schwer kranke
Menschen, die unabhängig von Religion
und Weltanschauung, Alter oder Herkunft
aufgenommen werden. Ziel ist, den Gästen
ein würdevolles und selbstbestimmtes
Leben bis zum Schluss zu ermöglichen.
Dabei arbeiten alle zusammen:
Ärzte und Pflegekräfte, Palliativmediziner,
Therapeuten, Sozialarbeiter und Seel-
sorger, haupt- und ehrenamtliche
Mitarbeiter. Soweit es möglich ist,
werden alle Wünsche der Gäste erfüllt.
ZUR PERSON
BRUNO SCHRAGE,
Jahrgang 1965, ist Referent für Caritaspastoral
beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln.
FÜR EINEN KLIMAWANDEL
IN UNSERER GESELLSCHAFT HABEN STERBEN UND TOD KAUM EINEN PLATZ. ÜBER
DAS TABUTHEMA UND DIE NOTWENDIGKEIT EINER NEUEN STERBEKULTUR
SPRACH
MIT BRUNO SCHRAGE, REFERENT FÜR CARITASPASTORAL. ER NIMMT
AUCH STELLUNG ZUM BESONDEREN PROFIL KATHOLISCHER EINRICHTUNGEN.
Warum tut sich unsere Gesellschaft so schwer mit dem Thema Sterben und Tod?
SCHRAGE:
Das Zusammenleben von Generationen unter einemDach ist selten geworden.
Das Sterben findet oft in Altenpflegeheimen und in Krankenhäusern statt.
Es verabschiedet sich aus der Erfahrung des Alltags. Zugleich gibt es das Ideal eines bis ins
hohe Alter sportiven, gesunden und leistungsstarken Menschen. Leben erscheint planbar,
und wir meinen, uns in allen Lebenslagen selbstbestimmen und managen zu können -
eben von derWiege bis zur Bahre.
2
Brauchen wir eine neue Kultur des Sterbens?
SCHRAGE:
Es braucht einen echten Klimawandel, denn Leben entsteht und entwickelt
sich nur aus Beziehung. Keiner wird alleine geboren und keiner darf alleine sterben.
Unter heutigen Bedingungen von palliativer Versorgung können wir neuen Mut haben,
das Sterben anzunehmen. In einem Klima der Mitmenschlichkeit muss sich kein
Mensch genötigt sehen, seinem Leben ein frühzeitiges Ende zu setzen.
3
Wie unterscheidet sich ein christliches Hospiz oder eine Palliativstation in einem
christlich geführten Haus vom weltlichen? Was ist das Besondere?
SCHRAGE:
Zunächst ist jede Begleitung in einem Hospiz oder durch eine palliative
Fachkraft in Deutschland ein Gewinn für eine Kultur des Sterbens. In einem christlichen
Haus weiß man sich mit dem Sterbenden über den Tod hinaus verbunden, kann für
ihn beten, aus einer Hoffnung, die unsere Vorstellung von Leben übersteigt.
Wenn die Medizin nicht mehr heilen kann, der Mensch sich ohnmächtig erlebt,
werden in einem christlichen Haus die Hoffnungslichter nicht ausgehen.
Das prägt die Haltung der dort Tätigen und die Begleitung des Sterbenden.
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INTERVIEW: HILDEGARD MATHIES
AMBULANTE PALLIATIVVERSORGUNG
Zu den wichtigsten Stützen in der
Palliativversorgung gehören die
Ambulanten Palliativpflegedienste,
ambulante Palliativ-Care-Teams und
die Teams der Spezialisierten Ambu-
lanten Palliativversorgung (SAPV)
für Menschen, die aufgrund ihrer
Erkrankung einen besonders hohen
Versorgungsbedarf haben. Die Ambu-
lanten Palliativen Dienste ermöglichen
es unheilbar kranken Menschen, dass
sie medizinisch und pflegerisch zu
Hause betreut werden und auch zu
Hause sterben können. Die Mitarbeiter
überwachen und leisten in Absprache
mit den behandelnden Ärzten die
Schmerztherapie, kontrollieren die
belastenden Symptome und kümmern
sich auch um die Angehörigen. In Köln
gibt es 13 anerkannte Ambulante
Palliativpflegedienste. Eine Übersicht
und Kontaktadressen hat der Diözesan-
Caritasverband für das Erzbistum Köln
unter
Erzbistum
Köln –
Porträt
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Abwechslung bringt ein Gang
in den großen Garten.
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