Mensch - Magazin des Erzbistums Köln - page 5

05 – 2015
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Erzbistum
Köln –
Rubik
Vielleicht kennen Sie noch die Geschichte vom Barmherzigen
Samariter: Er half, wo alle achtlos an einemVerwundeten vor-
beigingen. Er half, obwohl er selbst ein Ausgestoßener war in
der jüdischen Gesellschaft zu Zeiten Jesu oder früher. Nun leben
wir im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus
ausgerufen hat. Aber was heißt das?
Als der Mann, der noch Stunden zuvor Kardinal Jorge Bergoglio,
gewesen war, am 13. März 2013 erstmals als Papst Franziskus
den Balkon des Petersdoms betrat, da war bereits zu spüren,
dass nun der Wandel kommen würde. „Buona sera“ – Guten
Abend – sagte er schlicht. Und dann sprach er davon, was seit-
dem zum Programm seiner Amtszeit wurde: Der Weg der ka-
tholischen Kirche, der er vorsteht, solle „ein Weg der Brüder-
lichkeit, der Liebe, des Vertrauens zwischen uns“ sein. Damit
die Kirche ihren Teil dazu beitragen kann, dass die Mensch-
heit in Brüderlichkeit leben kann.
Barmherzigkeit, liebe, zärtlichkeit
Seitdem versucht Franziskus alles, um diese programmatischen
Worte in Wirklichkeit zu übersetzen. Am 8. Dezember hat er
ein sogenanntes Heiliges Jahr eröffnet. Bis zum 20. November
2016 feiern katholische Christen dieses „Jubiläum der Barm-
herzigkeit“. Barmherzigkeit, Liebe, Zärtlichkeit und ein offenes
Herz sind die Säulen, auf denen Franziskus gemeinsammit den
Christen in allerWelt die neue Kirche aufbauen will.
Es sind Worte, die viele Menschen im Zusam-
menhang mit der „mächtigen“ Kirche und ihrem „Oberhaupt“
überraschen und irritieren. Doch für Franziskus sind sie die Es-
senz seines Lebens, Glaubens und Handelns. Schon als Bischof
von Buenos Aires lautete sein Motto „miserando atque eligen-
do“ – etwa zu übersetzen mit „Aus Barmherzigkeit gewählt“.
Er behielt es bei als Bischof von Rom und Erster unter den
Bischöfen der katholischen Weltkirche. Franziskus selbst geht
übrigens offen damit um, dass auch er erst hineinreifenmusste
in dieses zutiefst christlich-humanitäre Lebenskonzept.
Barmherzigkeit – das ist für viele Menschen
heute ein sperriger Begriff. Wenn überhaupt mit etwas, so
assoziierensie ihnmitMitleid.Dochauch,wenndieUrsprünge
desWortes im gotischen „armahairts“ – mitleidig – liegen so-
wie im lateinischen misericors – derjenige, der ein Herz für
die Elenden hat: bei Barmherzigkeit geht es um soviel mehr
als um Mitleid. Mitleiden ist eine natürliche und verständli-
che menschliche Regung – doch sie hilft weder dem Leiden-
den noch demMitleidenden. Es geht also ummehr als umdas
Mitfühlen – es geht darum, dem Leidenden oder Bedürftigen
beizustehen und zu handeln. Es geht darum, ihm konkret zu
helfen, ihn zu unterstützen, ihn zu begleiten und manchmal
auch darum, ihn zu geleiten.
diewerke der barmherzigkeit
Die Kirche hat daher im Laufe der Zeit je sieben„leibliche“ und
sieben „geistige“ Werke der Barmherzigkeit festgelegt, die
ein Christ seinem Nächsten erweisen soll: Hungrige speisen;
Durstige tränken; Nackte bekleiden; Fremde beherbergen;
Gefangene erlösen, Kranke besuchen; Tote begraben – die
leiblichen, also konkretenWerke der Barmherzigkeit. Und die
geistigen, also ideellen und das Zusammenleben betreffenden
Werke: Sünder zurechtweisen; Unwissende lehren; Zweifeln-
den recht raten; Betrübte trösten; Lästige geduldig ertragen;
denen, die uns beleidigen, gern verzeihen; für Lebende und
Tote beten.
Papst Franziskus wünscht sich für das Jahr der
Barmherzigkeit, dass die Menschen über diese Werke der
Barmherzigkeit neu nachdenken – und dass sie sie wieder
stärker leben, damit unsere Welt ein menschlicher und le-
benswerter Ort bleibt. In seinem Grundsatzschreiben zum
Heiligen Jahr der Barmherzigkeit führt er aus:„Es ist mein auf-
richtiger Wunsch, dass die Christen während des Jubiläums
über die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzig-
keit nachdenken. Das wird eine Form sein, unser Gewissen,
das gegenüber dem Drama der Armut oft eingeschlafen ist,
wachzurütteln und immer mehr in die Herzmitte des Evan-
geliums vorzustoßen, in dem die Armen die Bevorzugten der
göttlichen Barmherzigkeit sind.“ Franziskus fordert uns zu-
dem auf,„unsere Herzen (zu) öffnen für alle, die an den unter-
schiedlichsten existenziellen Peripherien leben“.
Immer wieder spricht der Papst auch von Zärt-
lichkeit. In der Weihnachtspredigt des vergangenen Jahres tat
er dies mit besonderem Nachdruck: „Haben wir den Mut, mit
Zärtlichkeit die schwierigen Situationen und die Probleme
des Menschen neben uns mitzutragen, oder ziehen wir es vor,
sachliche Lösungen zu suchen, die vielleicht effizient sind, aber
der Glut des Evangeliums entbehren?“, fragte er. Und rief dann
aus:„Wie sehr braucht doch dieWelt von heute Zärtlichkeit!“
Samariter sein
Text:
Hildegard Mathies
Foto:
kna-Bild / Osservatore Romano
Wenn Sie amHeiligen Abend oder an denWeihntachsfeiertagen
einen Gottesdienst besuchen möchten, finden Sie einen Über-
blick auf der Internetseite der Advents-Zeit, die jedes Jahr von
der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln herausgegeben wird.
Die festliche Christmette im Kölner Dom mit Kardinal Rainer
MariaWoelki wird amHeiligen Abend, 24. Dezember, um 24 Uhr
gefeiert. Der Dom wird um 23 Uhr geöffnet. Am ersten Weih-
nachtsfeiertag, Freitag, 25. Dezember, feiert Woelki das Pontifi-
kalamt um 10 Uhr. Am zweitenWeihnachtsfeiertag, Samstag,
26. Dezember, wird ebenfalls um 10 Uhr ein Pontifikalamt gefei-
ert. Eingeläutet wird dieWeihnacht von allen Kölner Kirchen des
Erzbistums Köln. Den Anfang macht der Dicke Pitter, die größte
freischwingende Glocke derWelt, amHeiligen Abend um 19.15 Uhr.
Er läutet auch um 23.15 Uhr sowie am 25. Dezember um9.35 Uhr,
Silvester um Mitternacht, am 5. Januar um 19.30 Uhr und am
Dreikönigstag, 6. Januar, um 9.35 Uhr.
Weihnachts-
Gottesdienste
Für die Menschen da sein: Papst Franziskus lebt vor, was er von der ganzen Kirche fordert.
In den katholischen und evangelischen Kölner Krippen findet
sich eine reiche Vielfalt an traditionellen undmodernen Krippen.
Am Kölner Krippenweg beteiligen sich darüber hinaus auch
einige Geschäfte und Institutionen. In vielen Familien ist es
eine liebgewordene Tradition, am ersten oder zweitenWeih-
nachtsfeiertag zum„Krippchen gucken“ zu gehen. Doch auch
in den folgendenWochen lohnt ein Besuch der vielen verschie-
denen Krippen, denn viele Kirchengemeinden entwickeln die
Krippenszene weiter. So verlässt das Jesuskind etwa seine
Krippe und ruht in Marias Arm. Zum Fest der Heiligen Drei
Könige, deren Schrein im Kölner Dom steht, werden Figuren der
Drei Weisen aus demMorgenland in die Krippenlandschaften
gestellt. Mancherorts ist dann noch zu sehen, wie die Heilige
Familie vor dem bösen König Herodes flieht, der das Kind töten
will.Wer mehr wissen wil, kann eine Führung des Kölner Krippen-
weges mitmachen.
Ihr Kinderlein
kommet zur Krippe
Im Kölner Dom ruhen die Gebeine der Heiligen Drei Könige in
einem der schönsten mittelalterlichen Schreine. KeinWunder
also, dass die drei Männer – der Legende nach Caspar, Melchior
und Balthasar genannt – in der Domstadt besonders verehrt
werden. Bereits am Montag, 28. Dezember, werden die Stern-
singer in einem festlichen Gottesdienst von Kardinal Rainer
Maria Woelki in die Straßen und Häuser der Stadt gesandt.
Beginn ist um 10.30 Uhr. Die Kinder und Jugendlichen besu-
chen dabei Menschen zu Hause, erzählen und singen von den
Heiligen Drei Königen und sammeln Geld für Kinder in Bolivien.
Am Festtag der Heiligen Drei Könige, Mittwoch, 6. Januar 2016,
feiert Kardinal Woelki dann um 10 Uhr ein Pontifikalamt im
Kölner Dom.
Die Heiligen
Drei Könige
Die Kirche feiert ein Heiliges Jahr
der Barmherzigkeit – und lädt alle
zum Mitmachen ein.
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