Mensch - Magazin des Erzbistums Köln - page 4

Erzbistum
Köln –
Rubik
05 – 2015
04 – 2015
4
2
3
1
Interview: Hildegard Mathies
4
5
ZuR Person
Kardinal Rainer Maria Woelki,
Jahrgang 1956, ist seit September 2014 Erzbischof von Köln.
In der Deutschen Bischofskonferenz ist er der Caritas-Bischof.
Typisch für Gott
Als Kardinal Rainer MariaWoelki, 59, imvergangenen Jahr sein Amt als Erzbischof
von Köln antrat, frühstückte er amTag seiner Einführung mitWohnungslosen.
Von Beginn an setzt sichWoelki zudem für Flüchtlinge ein, für sozial
Schwache und Hilfsbedürftige.
sprachmit ihmüber Barmherzigkeit.
Herr Kardinal, braucht die Kirche, braucht dieWelt mehr Barmherzigkeit?
Woelki:
Auf Barmherzigkeit ist jeder Mensch zu jeder Zeit angewiesen. Sie ist das Salz immensch-
lichen Miteinander, das alle Begegnungen ein Stück weit genießbarer machen kann. Dabei haben
Barmherzigkeit und Gnade eines gemeinsam: Man kann sie nicht einfordern, man hat kein Anrecht
darauf, man kann sie nicht kaufen. Sie sind beide reinstes Geschenk. Insofern sind beide
untypisch für unsere Zeit, aber typisch für Gott.
Barmherzigkeit ist heute ein sperriger Begriff.
Wie erklären Sie ihn einem halbwüchsigen kirchenfernen Punker?
Woelki:
Ich würde sie mit einem unerwarteten Geschenk vergleichen. Jeder kann sich an glückliche
Augenblicke erinnern, wenn er sich beispielsweise über eine überraschende Gabe oder eine nicht
erwartbare Geste gefreut hat. Im Sprachspiel des Punkers gesprochen:Wenn so ein Oberspießer
mit Aktenkoffer einem beim Schnorren um ’nen Euro mal 50 Euro in den schwarzen Lederhut legt
und sagt:„Lad Dir mal Deine Lieblingssongs im Internet dafür runter.“ Barmherzigkeit schenken –
im Idealfall – Eltern ihrem Kind und Liebende sich gegenseitig. Barmherzigkeit ist ein Geschenk,
das auf keinemWunschzettel steht und einem trotzdem zuteil wird. Und dann macht es glücklich
und zaubert ein Lächeln auf das Gesicht, das auch das Gegenüber froh macht. Seine Spitze
erreicht dieses Geschenk dann, wenn man bereit ist, selbst überraschend und ohne Berechnung
von der selbst erfahrenen Barmherzigkeit etwas weiterzuschenken.Wenn also der heranwachs-
ende Punker einen Teil des unerwarteten Geldsegens seinem Kumpel gibt, damit auch der
sich mal legal Musik laden kann.
Wo und durch wen haben Sie persönlich in Ihrem Leben Barmherzigkeit erfahren?
Woelki:
In meinem Leben sind immer wieder Menschen mir gegenüber barmherzig gewesen.
An allererster Stelle sind hier aber meine Eltern zu nennen, deren Barmherzigkeit ich schon in einer
Zeit erfahren habe, als ich als schreiender Säugling besonders nachts den Trost meiner Mutter und
meines Vaters benötigt habe.
Gibt es Momente oder Situationen, in denen Ihnen Barmherzigkeit
selbst schwerfällt oder unmöglich erscheint?
Woelki:
Natürlich gibt es in meinem Leben Ereignisse und Begegnungen, mit denen ich mich bis
heute schwer tue, mir selbst und anderen Barmherzigkeit zuzusprechen. Als Priester habe ich
dann später – beispielsweise in der sakramentalen Beichte – vieles erfahren, was Menschen tief
verletzt hat und womit Menschen andere verletzt haben. Das ist nie harmlos. ImNamen Gottes
durfte ich dann vielen Menschen dessen Vergebung zusprechen. Dieses priesterliche Tun muss na-
türlich auch Auswirkungen auf mein persönliches Leben haben und dort spürbar sein. Ich bin daher
überzeugt, dass Barmherzigkeit immer gewährt werden muss, auch wenn sie schwerfällt oder gar
unmöglich erscheint. Barmherzig sein heißt ja nicht, die Augen verschließen und so zu tun als wäre
nichts gewesen – barmherzig ist man trotz des Gewesenen; so wie der barmherzige Vater imGleichnis.
Papst Franziskus fordert besonders in diesem Jahr mehr
Barmherzigkeit und mehr Zärtlichkeit von der Kirche und von jedem Christen.
Was heißt das konkret? Und wie kann man es umsetzen?
Woelki:
Indem ich beispielsweise wie der heilige Martin handle und etwas von mir verschenke,
was ein anderer dringend braucht. Indem ich den Nächstenmit offenen und gütigen Augen anschaue
und nicht an ihm vorbeisehe. Barmherzigkeit ist mehr als eine Tat. Sie ist eine Haltung, die meinen
Alltag durchzieht. Sie zeigt sich beispielsweise in einer Geste oder einem gutenWort, das Mut macht
oder eine Verzeihung ausspricht. Man kann sie nicht planen – „so, jetzt bin ich mal barmherzig“ –
und im nächsten Moment ist man dann wieder ein „harter Hund“. Entweder man strahlt sie in jeder
Begegnung aus, wie Papst Franziskus es tut, oder man ist es nicht, wie der unbarmherzige Knecht
im Evangelium (Mt 18,23-35).
das heilige jahr
im erzbistum
Sonntag, 3. april 2016:
In den Gemeinden des
Erzbistums Köln wird der Sonntag
der Barmherzigkeit gefeiert.
22.-25. september 2016:
Die Domwallfahrt für Kölner Schulen
und alle interessierten Gläubigen.
10.-15. Oktober 2016:
Gemeinsammit Kardinal Rainer MariaWoelki
findet die großeWallfahrt nach Rom statt.
Dienstag, 26. Januar 2016:
„Rembrandt van Rijn und das Gleichnis vom barmherzigen
Vater“ – Annäherungen zum Jahr der Barmherzigkeit,
Teil 1. Beginn: 17 Uhr im Domforum, Domkloster 3.
Montag, 15. Februar 2016:
„Barmherzigkeit – Schlüssel christlichen Lebens“, Referent:
Pfarrer Hans Schnocks. Beginn: 17 Uhr im Kolpinghaus
Messehotel, Theodor-Hürth-Straße 2-4.
Dienstag, 1. März 2016:
„Michelangelo Merisi da Caravaggio und die Berufung des
Matthäus“ – Annäherungen zum Jahr der Barmherzigkeit,
Teil 2. Beginn: 17 Uhr im Domforum, Domkloster 3.
Auch im Erzbistum Köln wird es 2016 zahlreiche Veranstal-
tungen und Angebote geben, die im Zusammehang mit dem
Heiligen Jahr der Barmherzigkeit stehen. Darüber kann man
sich fortlaufend auf einer eigens eingerichteten Internet-
seite informieren. Unter anderemwird esWallfahrten geben.
Auch die Katholische Bildungsarbeit nimmt das Jahr der
Barmherzigkeit in den Blick.
Logo: © Verband der Diözesen Deutschlands
Kardinal Woelki öffnete die Heilige Pforte am Dom.
1,2,3 5,6,7,8
Powered by FlippingBook