Sommerzeit 2016 - Erzbistum Köln - page 11

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Von Robert Boecker
W
arum fehlt hier die Brücke? Während die Kinder
im Wald rätseln und spielen, sitzt Anna Hans-
meier (23) in der warmen Nachmittagssonne auf
der großen Terrasse. Für wenige Augenblicke hat
die angehende Lehrerin für Deutsch, Mathe und
Katholische Religion Zeit, durchzuatmen. Der Lärm von rechts unten,
wo etwa 20 Grundschulkinder mit großer Begeisterung beim Basket-
ballspiel versuchen, Punkte zu machen, stört die junge Frau nicht. Seit
zwei Tagen betreut sie eine vierte Grundschulklasse, die sich aus Köln
auf den Weg in die Voreifel, genauer: in die Bildungsstätte Steinbach-
talsperre des Erzbistums Köln, aufgemacht hat. Zusammen mit ihrer
Lehrerin erleben die 23 Jungen und Mädchen bei herrlichem Wetter
„Natur pur“.
Natur entdecken
In diesem Moment rennen die Kinder auf dem riesigen Wald- und Wie-
sengelände rund um die Bildungsstätte herum. Mit Feuereifer sind sie
damit beschäftigt, die von Anna Hansmeier gestellte Aufgabe zu erfül-
len: „Macht euch auf den Weg und sucht einen kleinen und einen
großen Kieselstein, etwas Weiches und eine Vogelfeder.“ Gerade ein-
mal zwei Minuten ist es her, dass die Kinder mit einem Affenzahn los-
jagten. Genau die Zeit für die angehende Pädagogin, die während ihrer
Semesterferien das an der Uni Erlernte ansatzweise mit Praxiserfahrung
versucht in Einklang zu bringen, um Luft zu holen. Schon flitzen Kevin,
Chiara und Ibrahim atemlos um die Ecke und stürzen auf ihre Referen-
tin zu. Mit Glanz in den Augen legen sie ihre Fundstücke vor Anna
Hansmeier auf den Tisch: kleine und große Kiesel, Blätter und Moos.
Doch keine Federn. „Ihr habt die Aufgabe nicht erfüllt. Es geht nicht
darum, wer am schnellsten ist, sondern darum, die von mir gewünsch-
ten Sachen im Wald zu suchen“, sagt die Studentin lächelnd. „Also:
macht euch auf den Weg.“ Ohne Murren ziehen die drei wieder davon
und verschwinden im nahen Wald. Ziel dieses Spiels sei es, Natur wahr-
zunehmen und zu entdecken.
Sinne schärfen
In einem nächsten Schritt werde über „Gottes Schöpfung“ gesprochen und
wie wichtig es sei, diese zu bewahren, wertzuschätzen und zu erhalten.
„Auch wenn es anstrengend ist, vier Tage lang von morgens bis abends für
die Gruppe zuständig zu sein, diese zu motivieren und zu beschäftigen, es
kommt so viel von den Kindern zurück, dass mir das eine große Freude und
Zufriedenheit bringt“, sagt die 23-Jährige. Es gehört zum Prinzip des
Hauses, dass die Referenten ihre Gruppe bei der Ankunft in Empfang neh-
men, beim Einchecken helfen, das Programm leiten und die Kinder bis zur
Abfahrt betreuen. „Natur mit allen Sinnen erleben“ lautet das Thema der
Kindergemeinschaftstage, die die Kölner Schule für ihre Viertklässler aus
einer großenAngebotspalette gebucht hat. Zeitgleich sind in dieserWoche
noch zwei andere Schulklassen in dem Haus untergebracht. Darunter ist
eine elfte Klasse eines Kölner Mädchengymnasiums.
Überleben ohne Handy
Für die jungen Damen war die Ankunft in der Bildungsstätte mit einem
Schock verbunden, denn in dem Haus und in der näheren Umgebung gibt
es keinen Handyempfang. „Bislang haben aber alle diesen vermeintlichen
Kulturschock überstanden. Sogar das Gegenteil ist der Fall: Nach kurzer
Zeit fangen die jungen Leute an, wieder über das Miteinander zu spre-
chen, was sie sich sonst über WhatsApp oder Facebook mitteilen“, weiß
Gabriele Heimbach. Heimbach ist seit 1986 pädagogische Leiterin der
Einrichtung. In seiner Abgeschiedenheit in der herrlichen Natur an der
Steinbachtalsperre bei Kirchheim im Kreis Euskirchen ist das Haus jedes
Jahr für viele Kinder und Jugendliche sowohl von kirchlichen als auch von
staatlichen Schulen „Ausgangspunkt für die Begegnung mit der Natur
und der Schöpfung. Für sehr viele unserer jungen Besucher ist das inzwi-
schen eine völlig neue Erfahrung“, sagt Heimbach.
Rollentausch für Lehrer
Zusammen mit 15 Referenten, die meisten sind Studenten der Sozial-
pädagogik, Theologie oder des Lehramtes, sorgt die Pädagogin für eine
Anna Hansmeier
sichtet
die Fundstücke der Kinder.
Zum Haus gehört auch ein
riesiger Platz zum Zelten.
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