AdventsZeit 2017

34 www.adventsundsommerzeit.de Von Robert Boecker D ie zwei Hütehunde sind beeindruckend. Dafür sor- gen nicht nur die Maulkörbe, die sie tragen. Die beiden Vierbeiner und der große Schäfer mit dem Lodenumhang und dem Hut mit der breiten Krem- pe sind ein eingespieltes Team: Ein kurzer Pfiff und die Hunde haben die aus rund 150 Schafen bestehende Herde auf den schmalen Weg entlang des sanft und leise murmelnd dahinfließenden Flüsschens in die richtige Richtung gelenkt. Der Weg zur Weide am Ende des von dicht bewaldeten Hügeln umgebenen Talkessels führt an einer Fabrik vorbei, die vor über 100 Jahren linker Hand auf der anderen Seite des Flüsschens Kall errichtet wurde. Eine Brücke, gerade so breit, dass ein LKW sie passieren kann, führt über den Fluss. Es dauert einen Moment, ehe die blökende Herde den Weg über die Brücke freigibt. Schon von außen strahlt die aus Backsteinen erbaute Industrieanlage, die von einem hohen Schornstein überragt wird, Tradition – oder anders aus- gedrückt: Industriegeschichte – aus. Die in altdeutscher Schrift in weißen Lettern an den beiden Torpfeilern angebrachte Schrift: „Papierfabrik Zer- kall“ „Renker und Söhne“ verstärkt den ersten Eindruck. Die Zeiten, in denen ein Pförtner in dem kleinen Raum unmittelbar hinter dem Ein- gangstor Besucher empfängt, sind lange vorbei. Ein Schild an der Pfört- nerloge weist auf eine Klingel hin, unter der „Büro“ steht. Zunächst geschieht nichts, nachdem der schwarze Knopf gedrückt worden ist. Bevor sich Irritation breit macht, nähert sich über den großen Hof ein sportlicher Mittfünfziger dem Eingang, begrüßt den Besucher freundlich und stellt sich als Felix Renker vor. Renker, Jahrgang 1961, ist der Urenkel des Firmengründers Gustav Renker. Seit 1903 gehört der Familie Renker die Fabrik in dem kleinen Eifelort Zerkall, wenige Kilometer von Nideggen an den Ausläufern der Nordeifel. Damals kaufte der in Düren ansässige Papierfabrikant Gustav Renker von einem 1888 aus Holland nach Zerkall gekommenen Papiermacher dessen kleinen Betrieb auf. Visionäre Papier-Idee Seit Jahrhunderten nutzen die Menschen an diesem Ort die Kraft des Wassers, um Mühlen anzutreiben. Bereits für das Jahr 1503 ist Zerkall als Mühlenstandort belegt. Noch heute existiert auf dem Firmengelände das alte Mühlengebäude, in dem seit 1888 Pappen hergestellt wurden. Auch wenn im Laufe der letzten mehr als 110 Jahre die Industrieanlage immer wieder erweitert und modernisiert wurde, stammt der Kern der Fabrik aus dem Jahr 1905. Bei allen Erweiterungen seither achteten die Besitzer darauf, dass der Stil der Gründungszeit bei den Bauwerken beibehalten wurde. Felix Renker nennt seinen Urgroßvater einen „Visionär“, weil er erkannte, dass nicht in der Herstellung von Massenware sondern in der Produktion von Spezialpapieren die erfolgreiche Zukunft des Unterneh- mens liegen werde. „Damals traf er die Entscheidung, Büttenpapiere ➼ Aus Liebe zum Papier herzustellen.“ Laut Brockhaus handelt es sich bei Büttenpapier um „handgeschöpftes oder nach diesemVorbild auf Maschinen hergestelltes Papier aus Hadern oder Zellstoff; es hat einen ungleichmäßigen Rand, meist gerippt. Das ursprünglich aus der Stoffbütte mit einem siebüberzo- genen Rahmen handgeschöpfte Büttenpapier wird heute überwiegend auf Rundsieb- oder Langsiebmaschinen erzeugt; meist mit Wasserzei- chen. Büttenpapier dient als Schreibpapier oder bei höherem Flächenge- wicht als Aquarellkarton“. Leise murmelnd fließt die Kall an der Fabrik vorbei. Manfred Leisten ist Maschinenführer. Er überwacht die Produktion des Büttenpapiers. Gegen den Zeitgeist von digitaler Kommuni- kation, von Tweets, Posts und Likes, produziert eine Fabrik in der Eifel seit über 100 Jahren mit Erfolg Büttenpapier und exportiert es weltweit. 35 www.adventsundsommerzeit.de Scannen Sie diese Seite und tauchen Sie in die jahrhundertealte Papiermacher-Tradition ein. Ohne Layar-App unter: www.adventsundsommerzeit.de/papier/

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